Früher hätte ich mich selbst als aufgeklärte Frau bezeichnet. Doch mit meiner Schwangerschaft eröffneten sich mir neue Dimensionen im Bereich Frauengesundheit. Und damit einhergehend viel Scham, Schweigen und Tabuthemen.
Ich ertappte mich dabei, wie ich googelte, wie viele Frauen bei der Geburt auf die Liege kacken. Die Antwort weiß ich bis heute nicht. Google beantwortet dieses Thema sehr diskret: "Während der Geburt ist es möglich, dass Frauen Stuhlgang haben. Dies liegt daran, dass der Geburtskanal und der Darm anatomisch eng beieinanderliegen und sich während der Wehen der Druck auf den Darm erhöhen kann. Dies kann dazu führen, dass Stuhl ausgeschieden wird. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass nicht alle Frauen während der Geburt Stuhlgang haben, und selbst wenn dies der Fall ist, ist es für das medizinische Personal eine routinemäßige Situation. Es ist nichts, wofür sich die Frau schämen oder unwohl fühlen sollte, da es ein natürlicher Teil des Geburtsprozesses ist. Das medizinische Team ist darauf vorbereitet und steht bereit, um die Geburt sicher und unterstützend zu begleiten."
Heute weiß ich, dass es ganz normal ist und es den allermeisten Frauen passiert. Du möchtest bestimmt die Antwort wissen: Ja, bei mir ist "es" auch passiert. Aber ganz ehrlich, ich wusste es nicht einmal mehr. Ich musste erst meinen Mann fragen, der übrigens von diesem Anblick nicht nachweislich traumatisiert ist.
Eine Geburt ist ein überwältigender Prozess, und da hat man ganz andere Dinge zu tun, als sich mit solchen Kleinigkeiten herumzuschlagen. Aber trotzdem beschäftigt mich das immer noch. Denn worüber auch niemand mit mir gesprochen hat, ist das Gefühl, dass das Kind während der Geburt durch den Anus kommt anstatt durch die Vagina. Auch das ist übrigens ganz normal: Das Gefühl kann aufgrund der anatomischen Nähe der beiden Bereiche auftreten. Der Druck, den die Wehen auf den Geburtskanal ausüben, kann sich auf den gesamten Beckenbereich auswirken, einschließlich des Anus. Dies kann zu einem Gefühl der Dehnung und des Drucks im Anusbereich führen, was von einigen Frauen als das Gefühl beschrieben wird, dass das Kind dort durchkommt. Ich wäre während der Geburt wesentlich entspannter gewesen, hätte ich nicht die ganze Zeit das Gefühl gehabt, als ob sich eine wochenlange Verstopfung lösen würde. Und das macht mich so wütend: Während Männer oft stolz die Form und den Geruch ihrer morgendlichen Defäkation beschreiben, sollen sich Frauen so verhalten, als kämen ihnen nur Blumen (und Blumendüfte) hinten raus. Diese Tabuthemen haben wir so internalisiert, dass wir uns sogar während eines so existenziellen Erlebnisses wie einer Geburt dafür schämen.
Aber warum ist das so? Die Antwort finden wir wie so oft im Patriarchat. In diesem hierarchischen System, in dem Männer die dominante Rolle in politischen, wirtschaftlichen, rechtlichen und sozialen Strukturen spielen, werden Frauen und andere nicht-männliche Geschlechter häufig benachteiligt und untergeordnet. Das hat einen Einfluss darauf, dass Themen zur Frauengesundheit tabuisiert werden. Früher wurden Frauen oft als schwach oder hysterisch abgestempelt, weshalb ihre Anliegen nicht ernst genommen wurden. Es gab gesellschaftliche Erwartungen und Regeln, die verhinderten, dass über bestimmte Themen gesprochen wurde, und Frauen wurden zum Schweigen gebracht. Zum Beispiel wurde über die Menstruation und damit verbundene Beschwerden nicht offen geredet. Frauen haben gelernt, ihre Menstruation zu verbergen oder als etwas Peinliches zu betrachten. Über die weibliche Sexualität und andere frauenspezifische Themen wie die Wechseljahre wird oft nur unter vorgehaltener Hand gesprochen. Frauen haben gelernt zu funktionieren und sich nichts anmerken zu lassen. Auch über die Geburt und postnatale Gesundheit wird noch zu oft geschwiegen. Die Erfahrungen rund um Schwangerschaft, Geburt und die Zeit nach der Geburt können für viele Frauen eine Herausforderung sein. Dennoch werden bestimmte Themen wie Geburtsverletzungen, postnatale Depression, Inkontinenz oder Sexualität nach der Geburt noch oft als Tabu betrachtet. Frauen sind auch nachweislich einem erhöhten Risiko für psychische Gesundheitsprobleme ausgesetzt, darunter Angststörungen, Depressionen und Essstörungen. Aufgrund des Stigmas und der Scham, die mit diesen psychischen Erkrankungen verbunden sind, wird über dieses Thema oft nicht ausreichend gesprochen.
Wie können wir diese Tabus durchbrechen? Redet, liebe Frauen, redet! Offen und ehrlich. Um diese Tabus zu durchbrechen, müssen wir das Patriarchat abbauen und für Geschlechtergleichheit sorgen. Das bedeutet, dass Frauen die gleichen Rechte und Möglichkeiten haben sollten, ihre Gesundheit selbstbestimmt zu gestalten, ohne Angst vor Stigmatisierung oder Diskriminierung. Das können wir erreichen, indem wir unsere eigenen Vorurteile überwinden, offen über Frauengesundheit sprechen und politische Veränderungen unterstützen, die Frauenrechte stärken und Zugang zu umfassender Gesundheitsversorgung ermöglichen.
Fazit
Tabuthemen in der Frauengesundheit müssen überwunden werden, um Frauen die nötige Unterstützung und Informationen zu bieten. Indem wir einen offenen Dialog fördern, Bildung vorantreiben und das Patriarchat hinterfragen, können wir einen positiven Wandel herbeiführen. Es liegt in unserer Verantwortung, ein Umfeld zu schaffen, in dem Frauen frei von Scham und Stigmatisierung über ihre Gesundheit sprechen können. Gemeinsam können wir die Tabus brechen und die Frauengesundheit auf eine neue Ebene der Offenheit und Akzeptanz heben.
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