Viele Menschen glauben, dass stagnierende Fortschritte im Training auf mangelnde Intensität oder zu seltene Einheiten zurückzuführen sind. Deshalb erhöhen sie die Trainingsfrequenz und -härte – und geraten in einen Teufelskreis aus Übertraining und unzureichender Regeneration. Das Ergebnis? Anhaltende Erschöpfung, Leistungsstagnation und im schlimmsten Fall sogar Rückschritte.
Interessanterweise benötigen Breitensportlerinnen oft sogar mehr Regeneration als Spitzensportlerinnen. Warum? Profisportlerinnen haben ihren Alltag perfekt auf Training und Erholung abgestimmt – mit individuellen Ernährungsplänen, regelmäßigen Physiobehandlungen und optimierten Schlafzeiten. Breitensportlerinnen hingegen jonglieren oft zwischen Beruf, Familie und Training, was zusätzlichen Stress verursacht und die Erholung beeinträchtigen kann.
Nachhaltiger Fortschritt entsteht jedoch nicht nur durch hartes Training, sondern vor allem durch optimale Erholung. Doch wie stelle ich überhaupt fest, ob ich mich richtig regeneriere? Im Training gibt es verschiedene Variablen – hier ein Überblick. Diese Checkliste hilft dir, die Signale deines Körpers richtig zu deuten und gezielt Maßnahmen für eine bessere Regeneration zu ergreifen.
Herzratenvariabilität (HRV)
Was ist es? Die Herzratenvariabilität (HRV) beschreibt die Schwankung zwischen den Herzschlägen. Sie spiegelt das Gleichgewicht zwischen dem sympathischen (Stress-) und parasympathischen (Erholungs-) Nervensystem wider. Eine hohe HRV zeigt eine gute Erholung an, während eine niedrige HRV auf Stress oder Überlastung hindeuten kann. Aussagekräftig ist jedoch einzig der Vergleich mit einem individuellen Ausgangswert - alle Menschen haben unterschiedliche HRV-Werte.
Wie misst du sie? Auf vielen neuen Fitnessuhren ist der HRV-Wert abgebildet. Es bedingt allerdings, dass du sie rund um die Uhr (auch nachts) trägst.
Woran erkennst du gute Erholung? Konstant hohe HRV-Werte im Vergleich zu deinem Durchschnitt signalisieren eine gute Erholung. Sinkt die HRV deutlich, kann das ein Hinweis auf Übertraining oder Stress sein – Zeit für eine Pause oder eine leichte Trainingseinheit.
Ruhepuls
Was ist es? Der Ruhepuls ist die Anzahl deiner Herzschläge pro Minute im entspannten Zustand. Ein niedriger und stabiler Ruhepuls spricht für ein starkes Herz-Kreislauf-System.
Wie misst du ihn? Miss deinen Ruhepuls jeden Morgen unmittelbar nach dem Aufwachen (am besten noch im Bett), entweder per Hand am Handgelenk oder mit einer Pulsuhr.
Woran erkennst du gute Erholung? Liegt dein Ruhepuls im normalen Bereich, bist du gut regeneriert. Ein plötzlicher Anstieg (5-10 Schläge über deinem Normalwert) kann ein Hinweis auf Erschöpfung, Dehydrierung oder einen drohenden Infekt sein – in diesem Fall solltest du dein Training anpassen.
ACHTUNG: Oft heißt es, je niedriger der Ruhepuls, desto besser – das stimmt jedoch nicht immer. Ein zu niedriger Ruhepuls kann bei Frauen auf eine gestörte Hormonbalance oder eine Schilddrüsenfunktionsstörung hinweisen.

CO₂-Toleranztest
Was ist es? Dieser Test zeigt, wie gut dein Körper mit Stress umgeht und ob du Sauerstoff effizient nutzen kannst. Außerdem gibt er Hinweise darauf, ob Stress oder Ängste deine Leistungsfähigkeit beeinträchtigen.
Kohlendioxid ist ein Schlüsselindikator für Stress. Dein Körper berechnet ständig, wie viel Energie er braucht und wie viel zusätzliche Belastung er bewältigen kann. Der CO₂-Toleranz-Test hilft dir, deine Stressreaktion und Atemkontrolle besser zu verstehen.
Wie führst du ihn durch? Atme normal ein, dann normal aus, und beginne, die Ausatmung zu verlängern. Miss, wie lange du ausatmen kannst, bevor du den Drang zum Wiedereinatmen verspürst.
WICHTIG: Schau dir die Bewertungsskala erst nach dem Test an! Versuche nicht krampfhaft, eine „Elite“-Zeit zu erreichen – das misst nur deinen Ehrgeiz, nicht deine tatsächliche Erholung.
Woran erkennst du gute Erholung? Eine Ausatemzeit von 30 bis 60 Sekunden deutet darauf hin, dass du gut erholt und bereit für weitere körperliche Aktivität bist. 65 bis 120 Sekunden weisen auf eine optimale Erholung hin – dein Nervensystem kann mehr Belastung verkraften. Liegt die Zeit unter 30 Sekunden, könnte das auf unzureichende Erholung von vorherigen Aktivitäten hindeuten.
Schlafqualität
Was ist es? Im Schlaf finden essenzielle Reparatur- und Aufbauprozesse statt. Hochwertiger Schlaf bedeutet ausreichend Tief- und REM-Phasen. Schlafmangel verstärkt Stress, während übermäßiger Stress das Einschlafen erschwert – ein Teufelskreis kann entstehen. Wenn du normalerweise gut schläfst, aber plötzlich Schlafprobleme hast, könnte dein Körper Schwierigkeiten haben, Stress aus Training und Alltag zu bewältigen.
Wie optimierst du sie? Achte auf 7-9 Stunden Schlaf pro Nacht und einen festen Schlafrhythmus. Schlaf-Tracker oder Smartwatches können dir zusätzlich helfen, deine Schlafqualität zu überwachen.
Woran erkennst du gute Erholung? Wenn du morgens erholt aufwachst und tagsüber keine extreme Müdigkeit verspürst, ist dein Schlaf optimal. Schlafstörungen, wenige Tiefschlafphasen oder anhaltende Tagesmüdigkeit können ein Zeichen für unzureichende Erholung sein.
Muskel- und Gelenkschmerzen
Was ist es? Muskelkater nach intensivem Training ist normal. Anhaltende oder starke Schmerzen sind jedoch Warnsignale für Überlastung.
Wie überprüfst du es? Beobachte deine Muskel- und Gelenkschmerzen. Vergehen sie nach ein paar Tagen oder bleiben sie bestehen?
Woran erkennst du gute Erholung? Wenn der Muskelkater nach wenigen Tagen verschwindet und keine chronischen Gelenkschmerzen auftreten, regenerierst du gut. Bleiben Schmerzen bestehen, solltest du deine Trainingsbelastung überdenken oder ärztlichen Rat einholen.
Weitere Symptome, die auf unzureichende Erholung hinweisen können, sind Stimmungsschwankungen, ständige Erschöpfung, geringe Libido, unregelmässige oder ausbleibende Menstruation sowie Verdauungsprobleme.
Wenn du merkst, dass du dich nicht ausreichend erholst, ist es wichtig, einen Schritt zurückzugehen und viel Ruhe zu gönnen – sowohl im Training als auch im Alltag. Auch wenn das nicht immer einfach ist und möglicherweise bedeutet, auf einen Wettkampf zu verzichten. Ignorierst du diese Warnzeichen, wird dich dein Körper ausbremsen, was zu Verletzungen und Krankheiten führen kann. Es ist ratsam, mit einem Profi zusammenzuarbeiten, um einen gesunden Wiedereinstieg ins Training zu finden und langfristig wieder auf einem guten Level zu trainieren.
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